Quick-Blog: Kindliche Entwicklung
Warum lügt mein Kind mich an und sagt nicht einfach die Wahrheit?
Weil Kinder nicht so „lügen“, wie wir denken.
Fakt ist:
Kinder lügen meist gar nicht bewusst. Gerade jüngere Kinder befinden sich in der sogenannten „magischen Phase“. Ihr Gehirn ist neurologisch noch nicht reif genug, um zwischen Fantasie und Realität so klar zu unterscheiden wie Erwachsene. Die Grenze zwischen „echter Wahrheit“ und „gewünschter Wahrheit“ ist für sie fließend. Das ist auch der Grund, warum sie ihre Aussagen nicht als Lügen empfinden – sie leben in ihrer eigenen, kindlichen Realität. Und wenn es das nicht ist, könnte dahinter eine tiefere epigenetische Ursache liegen.
Über dein Kind:
Dein Kind lügt nicht, um dich zu kränken. Kinder lügen oft, um sich unangenehme Situationen zu ersparen, denn sie möchten nicht enttäuschen oder Ärger riskieren. Sie wissen aber noch nicht, wie sie mit Erwartungen und möglichen Konflikten umgehen sollen. Eine Notlüge ist dann die einfachste Lösung, die sich im Moment gut anfühlt. Und obendrein fehlt ihnen noch die emotionale Reife, um langfristig über Konsequenzen nachzudenken. Was also wie eine „freche Lüge“ wirkt, ist oft nur ein kindlicher Schutzmechanismus.
Vergleich:
Sei mal ehrlich: Wie oft weichst du von der Wahrheit ab, wenn es dir nützt oder Ärger erspart. „Ja, ich bin fast da!“ (obwohl du noch im Stau stehst) oder „Alles gut!“ (obwohl du innerlich am Limit bist). Oder was ist mit der Überraschungs-Party, von der alle wissen, nur der, für den sie gedacht ist, hat keine Ahnung, weil sonst die Überraschung nicht funktionieren würde, wenn man die Wahrheit sagen würde. Im Gegensatz zu deinem Kind, nutzt du all diese kleinen Alltagslügen sogar ganz bewusst, weil sie dir kurzfristig das Leben erleichtern, stimmt´s? Kinder lügen aus ganz ähnlichen Gründen, oft unbewusst und aus einer Art Selbstschutz.
Ich sehe das so:
Wenn wir erwarten, dass Kinder immer die volle Wahrheit sagen, setzen wir unrealistische Standards. Kinder lernen durch Erfahrung, dass sie nicht immer auf Verständnis stoßen, wenn sie ehrlich sind – vor allem, wenn die Wahrheit Ärger bedeutet. Statt ständige Ehrlichkeit zu verlangen, können wir eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich sicher fühlen, ehrlich zu sein.
Aus eigener Erfahrung:
Ich kenne das auch aus dem Alltag meiner besten Freundin. Ihr Sohn sagt ihr oft, er habe keine Hausaufgaben, und dann erwischt sie ihn abends, wie er doch noch schnell seine Aufgaben macht. Sie hat ihm oft gesagt, dass er keinen Ärger bekommt, wenn er einfach die Wahrheit sagt. Trotzdem hält er an seiner kleinen „Notlüge“ fest. Die Wahrheit ist: Er will einfach diesem lästigen Thema Hausaufgaben entkommen – und das sofort. Diese Art von Lüge ist keine Manipulation, sondern sein Versuch, sich eine unangenehme Situation zu ersparen.
Kein Tipp, sondern ein Impuls:
Überleg mal, ob deine Reaktion auf die „Lügen“ deines Kindes wirklich die ist, die du dir selbst in solchen Momenten wünschen würdest. Kinder brauchen die Gewissheit, dass sie auch bei kleinen Fehltritten nicht in den Augen ihrer Eltern „enttäuschen“. Schaffe eine Umgebung, in der sie wissen, dass Ehrlichkeit willkommen ist – ohne die Angst, dafür „abgestraft“ zu werden.
Disclaimer:
Natürlich gibt es Situationen, in denen Ehrlichkeit wichtig ist, und es ist in Ordnung, das von Kindern zu erwarten. Dennoch sollte die Erwartung nicht zu einem ständigen Druck werden. Manchmal hilft es, Kinder einfach in ihrer Welt zu lassen und mit kleinen Schritten an Vertrauen und Offenheit zu arbeiten, statt immer sofort absolute Ehrlichkeit einzufordern.
Einladung:
Fällt es dir schwer, damit umzugehen, dass dein Kind nicht immer die Wahrheit sagt? Ich helfe dir gern dabei, Wege zu finden, wie du Vertrauen aufbauen und deinem Kind den Raum geben kannst, ohne Angst seine Wahrheit zu teilen.
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